Paranapiacaba – Festival und Züge
Vor einigen Wochen war ich auf dem „Winter“-Festival in Paranapiacaba (zu der Zeit war der Winter noch das was man als Nordeuropäer einen schönen Frühling oder sogar Sommer nennen würde und mittlerweile ist es auch wieder sommerlich warm ;-)). Auf diesem Ausflug zeigte sich mal wieder wie plötzlich sich das Umfeld hier ändern kann. Nur 60-70 km von São Paulo entfernt, bzw. 2 Stunden mit Zug und Bus, liegt Paranapiacaba wie ein kleines Bergdorf in einer Art Hochtal. Die Atmosphäre ist das komplette Gegenteil vom Metropolenrummel in São Paulo. Klar, man könnte jetzt argumentieren, dass wenn man 70 km von Köln in Richtung Eifel fährt auch in einer komplett anderen Umgebung und in einem tollen Nationalpark ist. Stimmt! Allerdings ist São Paulo nicht nur eine Stadt sondern eine scheinbar unendlich weite Ansammlung gigantischer Ausmaße von Hochhäusern, Shopping Centern, Fabriken und Straßen, und teilweise ein ganz schöner Moloch – man könnte auch vom Gotham City Südamerikas reden 😀 Und wenn man in São Paulo 50 km in eine Richtung fährt ist es sehr wahrscheinlich dass man immer noch zwischen Hochhäusern, Fabriken und Geschäften steht. Das überraschende bei Paranapiacaba ist, dass man fast die gesamte Fahrt lang noch den Eindruck hat nicht wirklich São Paulo zu entkommen und ganz plötzlich steht man in der Natur.
Paranapiacaba wirkte auf mich wie ein kleines Bergbau/Goldgräberdorf. Die Häuser sind fast alle aus Holz und rot angestrichen. Sie haben Gärten, die durch niedrige Zäune getrennt sind, ganz wie in Nordeuropa, z.B. in England. Das kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich wurde der Ort von Engländern aufgebaut. Das traditionelle Standbein von Paranapiacaba ist nämlich ein großer, alter Güterbahnhof. Der wurde in besseren Zeiten für den Bahnverkehr, d.h. vor der Ausrichtung der gesamten brasilianischen Logistik auf den Straßenverkehr, für den Transport der Waren aus dem Interior zum Hafen in Santos gebaut.
Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke wurde die São Paulo Railway Company, die von Engländern gegründet worden war, beauftragt. So kam es dass sich ein englisches Dorf in den Bergen São Paulos entwickelt hat. Heutzutage ist der Bahnhof zwar immer noch in Betrieb, aber es scheint mir, als sei damit kein großes Geld mehr zu verdienen und die Auslastung sehr gering. Die Haupteinnahmequelle ist jetzt vermutlich der Tourismus.
Das Winter Festival dauert 3 oder 4 Wochenenden und besteht aus zahlreichen Imbissständen, Konzerten auf drei Bühnen und zahlreichen weiteren Angeboten. Wir haben einen wunderschönen, sonnigen Tag dort verbracht (Achtung, in Paranapiacaba gibt es oft starken Nebel!), ein paar Konzerte angesehen und viel zu viel gegessen 🙂 Ein Highlight war die Pommesbude mit dem goldenen M, das in dem Fall für Mais fritas (mehr Pommes) stand 😀
Paranapiacaba ist auf jeden Fall einen Abstecher wert! Hier sieht man zwar nichts stereotyp „typisch brasilianisches“(Samba, Fußball, Strände, und was noch?), aber solche Orte gehören mit zur brasilianischen Kultur und verdeutlichen den kulturellen Mix Brasiliens. Man kann dort wohl auch übernachten und von dort aus Wanderungen in die Berge oder runter zum Strand unternehmen. Das wäre vielleicht noch ein „Projekt“ für die Zukunft…
Von Paranapiacaba führt im Übrigen die alte Straße runter nach Cubatão (ein Industrieort kurz vor Santos, also kurz vor der Küste, der in den 80er Jahren den wenig ruhmreichen Titel „dreckigste Stadt Brasiliens trug und auch weltweit ganz vorne in Sachen Umweltverschmutzung dabei war. Dort gibt es sehr viel chemische Industrie und man erzählt sich hier Geschichten von Kindern die ohne Gehirn geboren wurden und ähnliches…). Die Straße das Gebirge herunter muss eine Attraktion für sich sein, mit sagenhaftem Ausblick! Leider bin ich noch nicht dazu gekommen diese Tour zu machen.
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